Smart Charging
Die grossflächige Verbreitung der eMobilität hat eine starke Auswirkung auf das Energiesystem. Ein kostspieliger Netzausbau scheint vielfach unausweichlich. Intelligente Ladekonzepte können jedoch den notwendigen Netzausbau signifikant verringern sowie die Integration der unstetig einspeisenden erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind erleichtern. Der Vortrag von Dr. Joachim Bagemihl (Alpiq) unterstrich eindrucksvoll die Rolle der eMobilität im Energiesystem der Zukunft und stellte einen fundamental neuen Lösungsansatz zum "smart charging" vor.
Wenn 2 Mio. eAutos auf Schweizer Strassen fahren würden, dann würde dies
den Stromverbrauch um rund 15 % erhöhen. Dieser Mehrverbrauch könnte
das bestehende System energieseitig verkraften. Da jedoch viele Nutzer
gleichzeitig am Abend laden werden, steigt die dann benötigte
installierte Kraftwerksleistung um 50 % und das System stösst an seine
Grenzen. Denn neben dem Kraftwerkspark müsste auch die
Stromnetzkapazität entsprechend ausgebaut werden.
Deshalb ist es
zwingend notwendig, die Ladevorgänge besser zu synchronisieren. Die
Lösung heisst Smart Grid – vereinfacht gesagt, wenn die Energie billig
ist, dann beziehe ich diese. Oder anders ausgedrückt: Ich richte meinen
Stromkonsum nach dem Preis und meinem Geldbeutel aus. Apropos Geld: Der
grösste Anteil des Strompreises für Haushaltskunden macht nicht das
Kraftwerk aus, sondern rührt vom Netz her. Die verfügbare Netzkapazität
schwankt im Tagesverlauf, jedoch gibt es bis heute keine Methode, die
mir als Kunde sagt, wann ich mein eAuto am besten laden soll bzw. wann
besser gerade nicht.
Generell ist der Stromnutzer heute nicht
mehr nur gänzlich aufs Netz angewiesen, sondern er hat neben dem reinen
Netzbezug zunehmend weitere Optionen, seinen Energieverbrauch zu
sichern, bzw. zu steuern. 1) Durch Eigenerzeugung 2) Durch Bezug aus dem
Speicher 3) Durch Lastverschiebung auf einen späteren Zeitpunkt. Dies
ermöglicht einen fundamentalen Paradigmenwechsel: Weg vom „Demand Side
Management“ – hin zur „Demand Response“ mit Hilfe eines sog.
„netzfreundlichen“ Tarifs. Bis anhin entschied der Energieversorger
durch Rundsteueranlagen und einfache Hoch/Niedertarife über den
Zeitpunkt des Energieverbrauches (etwa lief über Mittagszeit die
Waschmaschine nicht). Künftig wird mir das Netz signalisieren, in
welchem Zustand es sich gerade befindet und ICH entscheide, ob ich jetzt
oder später laden will auf Basis meiner Zahlungsbereitschaft. Die
Intelligenz und die Schalthoheit liegt künftig also beim einzelnen
Kunden.
Wie könnte ein solches "smart charging" System aussehen?
Generell gilt, wenn Strom am Hausanschluss bezogen wird, sinkt die
Spannung, bei lokaler Einspeisung ins Netz z.B. durch PV vom Dach,
erhöht sich die Spannung am Einspeisepunkt. Der Netzbetreiber ist per
Gesetz verpflichtet, die Spannung in einer gewissen Bandweite zu halten.
Nimmt der Stromverbrauch durch neue Stromnetzlasten zu (z.B. durch
Elektromobilität, dezentrale Einspeisung), dann sind
Spannungsbandverletzungen der Hauptgrund für einen notwendigen (und
teuren) Netzausbau.
Das individuelle Spannungsniveau am lokalen
Netzanschlusspunkt ist also ein Indikator dafür, ob zu einem gegebenen
Zeitpunkt dem Netz eher Strom zugeführt oder entnommen werden soll (sog.
Netzdienlichkeit). Damit keine Ungleichbehandlung unter den Netzkunden
auftrifft, kann über smart meter jeweils die individuelle örtliche
Spannung gemessen und daraus für jeden eine individuelle "mittlere"
Spannung abgeleitet werden, mit Maximal- und Minimalwerten. Durch
Auswertung der Häufigkeitsverteilung können so kundenindividuelle
Spannungsgrenzen mit unterschiedlichen Preisbändern definiert werden.
Oder einfacher ausgedrückt: Strombezug bei tiefer Spannung ist teuer, –
je höher die Spannung, umso günstiger wird es hingegen. Ausserdem ist so
sichergestellt, dass alle Nutzer über einen Zeitraum (z.B. Monat) die
gleiche Anzahl von billigen und teuren Stunden erfahren.
Dieser
spannungsabhängige Netznutzungspreis wird auch Ampeltarif genannt. Der
Kunde kann selber entscheiden, wann und zu welchem Preis er Strom vom
Netz beziehen will. Wenn man die gleiche Logik umdreht, könnte neben dem
Beziehen auch das Einspeisen von Strom künftig Geld kosten, weil das
Netz dann ja auch beansprucht wird und sich so die steigenden Netzkosten
auf mehrere Schultern verteilen lassen.
Und zu guter Letzt: Da
kaum jemand Zeit und Lust hat, irgendwelche „Ampeltarife“ zu beachten,
um etwas Geld zu sparen, müsste das ganze System im Kontext von „Smart
Home“ eingebunden sein. Das System würde also automatisch die
günstigsten Zeiten zum Aufladen suchen.
Selbst für
Nicht-Energiewirtschaftler war der Vortrag spannend, verständlich und
mit vielen Aha-Erlebnissen. Dr. Joachim Bagemihl beantwortete im
Anschluss bereitwillig einige Fragen – herzlichen Dank für das
erstklassige Referat!
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